Der Lehrkräftemangel in Bayern schmerzt immer heftiger. Es braucht jetzt ein Umdenken in der bayerischen Schulpolitik. Fünf Ideen, wie der Wandel gelingen kann. Ein Essay von Matthias Fischbach, dem bildungspolitischen Sprecher.

Der Lehrkräftemangel ist ein Symptom bildungspolitischer Fehler der Vergangenheit. Zu komplexe Zentralplanungen, starre Ministeriumsvorgaben und fehlender Freiraum für individuelle Lösungen kennzeichnen Bayerns Kultuspolitik. Wie wenig der Sprung des einst stolzen bayerischen Schulsystems ins 21. Jahrhundert gelungen ist, hat zuletzt das Digitalchaos während der Corona-Pandemie gezeigt. Doch schon klopft mit KI-gestützter Bildung die nächste Schulrevolution an die Tür, auf die unser starres Bildungssystem nicht vorbereitet ist.

Es braucht daher weitreichende Reformen, um Bayerns Bildungspolitik vom Kopf auf die Füße zu stellen. Innovation muss Bottom up gelebt und angetrieben werden. Die ausschließliche Fokussierung auf Top-down-Ansätze, die erst nach jahrzehntelangen Schulversuchen in die Fläche gebracht werden, ist längst überholt. Hierzu fordern wir fünf grundlegende Weichenstellungen:

1. Mehr Freiheit in der Lehrkräfteausbildung
Der Ein- und Ausstieg in die Lehrkräfteausbildung muss flexibler werden, als das im bisherigen Staatsexamensstudiengang der Fall ist. Mit modernen Bachelor-/Masterstudiengängen soll sowohl der Einstieg vom Fachbachelor über den Pädagogikmaster in den Lehrerberuf für – als auch ein erst im Master – auf die Schularten zugeschnittene Ausbildungsweg über einen praxisorientierten Lehramtsbachelor. In diesem Schritt ist auch eine fachliche Stärkung der Grund- und Mittelschullehrerausbildung möglich. Sie ist aufgrund der besonderen Anforderungen durch Inklusion und Integration geboten und schafft die Basis für gleichwertige Gehaltsaussichten zwischen den Schularten. Auch das Referendariat soll sich besser an individuelle Bedürfnisse anpassen und bei Bedarf in allen Schularten auf drei Jahre gestreckt werden können.

2. Mehr Freiheit auf dem Karriereweg unserer Lehrkräfte
Wunschschule und Wunschlehrer sollen sich frei finden können. Dazu sollen Schulen auf eine Stellenzuweisung durch die Kultusbürokratie verzichten können und stattdessen ein gleichwertiges Budget erhalten, um der Wunschlehrkraft ein attraktives Angebot zu machen. Generell sollen Schulen die Verantwortung und die Mittel für ein modernes Personalmanagement von der lokalen Schulverwaltung übernehmen können. Das ermöglicht passgenaue Personalentwicklungsangebote und attraktive Karrierewege, wie sie in bei führenden PISA-Teilnehmern, wie etwa Singapur, längst gelebt werden. Statt nur mit dem Modell der Lebenszeitverbeamtung zu werben, soll der Weg zum Lehrerberuf auch für Zickzacklebensläufe ohne Abschläge geöffnet werden, wenn die Qualität gesichert ist.

3. Mehr Freiheit für individuellere Lehrkräftebezahlung
Der Lehrerberuf krankt in Bayern auch an der fehlenden, individuellen Leistungsgerechtigkeit. Wenn es kaum einen Unterschied macht, ob eine Lehrkraft sich anstrengt oder nicht, setzt das nicht nur die falschen Anreize – es ist auch eine schreiende Ungerechtigkeit. Schulen sollen daher ausreichend Mittel und Instrumente an die Hand bekommen, um Leistung fair zu honorieren. Finanziell – oder auf Wunsch auch durch gezielte Entlastungen. So können wir auch Mangelfächer wieder attraktiver gestalten und auf die starr vorgegebenen Fächerkombinationen in der Ausbildung verzichten.

4. Mehr Gestaltungsfreiheit in der Pädagogik
Wir wollen wieder den Spaß an Innovation und individuellen Konzepten fördern. Dazu braucht es mehr Gestaltungsfreiheit vor Ort. Statt mit überbordenden Anforderungen aus den Lehrplänen wollen wir unseren Lehrkräften mit Grundvertrauen entgegentreten. Sie sollen durch entschlackte Lehrpläne und die Förderung moderner Unterrichtsmethoden an ihren Schulen gemeinsam neue pädagogische Ansätze und Standards entwickeln können. Es soll ein ganzheitliches Bildungsverständnis zählen und die Frage, wer die Schülerinnen und Schüler am Ende des Jahres wirklich vorangebracht hat.

5. Klare Verantwortung für den Erfolg unserer Schülerinnen und Schüler
In diesem Sinne gehört zur Freiheit natürlich immer auch die Verantwortung. Hier wollen wir die Schulleitungen sowohl personell als auch rechtlich bei der Leitung eigenverantwortlicher Schulen stärken. Gleichzeitig soll die Zusammenarbeit mit dem Schulforum eine gewichtigere Rolle spielen. Nach dem Vorbild vieler anderer Länder, wollen wir gleichzeitig mehr Transparenz über die Ergebnisse einzelner Schulen z. B. in Form von Dashboards schaffen, die Schülern wie Eltern bei der richtigen Schulwahl unterstützen können. In Kombination mit einer neuen Schulfinanzierung soll dadurch ein Wettbewerb um beste Schulen angestoßen werden. Mit schülerbezogenen Bildungsgutscheinen und Gewichtungsfaktoren für sprachliche oder sonderpädagogische Herausforderungen sowie zur wohnortnahen Abdeckung wollen wir gerade Brennpunktschulen endlich angemessen unterstützen. Faire Rahmenbedingungen und klare Verantwortungen bei der einzelnen Schule schaffen die Basis dynamischeres Bildungssystem, das zu den Anforderungen unserer Zeit passt und den nötigen Bildungswandel abrundet.

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